Sozialversicherung - Segen oder Fluch?
Vor rund 130 Jahren wurde der Grundstein für das soziale System in Deutschland gelegt, welches das Recht nach existentieller Absicherung erstmalig gesetzlich verankert.
In existentiellen Risikosituationen den Lebensstandard des Versicherten und seine Stellung im Rahmen der Gesellschaft zu erhalten, das sollte die Aufgabe der Sozialversicherung sein.
Die Sozialversicherung besteht aus fünf Sparten:
- Die gesetzliche Arbeitslosenversicherung soll die existentielle Sicherheit im Falle einer Arbeitslosigkeit gewährleisten,
- Die gesetzliche Rentenversicherung soll die Mitglieder im Alter, im Falle von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sowie im Falle des Todes deren Hinterbliebene absichern,
- Die gesetzliche Krankenversicherung soll die Gewährleistung und Wiederherstellung der Gesundheit unterstützen und die Folgen von Krankheit lindern,
- Die gesetzliche Unfallversicherung soll im Falle eines (Arbeits-) Unfalls die Erwerbstätigkeit wieder herstellen,
- Die gesetzliche Pflegeversicherung soll dauerhaft pflegebedürftigen Menschen finanzielle Unterstützung zusichern.
Die wichtigsten Grundprinzipien der Sozialversicherung sind:
- das Prinzip der Versicherungspflicht
In Deutschland sind nahezu 90 Prozent der Bevölkerung in der Sozialversicherung pflichtversichert oder freiwillig versichert.
- das Prinzip der Beitragsfinanzierung
Die Sozialversicherungen sollen überwiegend aus den Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert werden. Dabei legt die Selbstverwaltung (für Unfallversicherung) beziehungsweise der Gesetzgeber (für Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung) die Beitragssätze gesetzlich fest.
- das Prinzip der Solidarität
Die zu versichernden Risiken werden von allen Versicherten gemeinsam getragen. Unabhängig davon, wie viel die Versicherten an die Sozialversicherungen gezahlt haben, sollten sie in umfassendem Maße abgesichert sein. Durch diesen Ansatz soll ein Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, zwischen besser und weniger gut Verdienenden, zwischen Jung und Alt, zwischen Familien und Singles geschaffen werden.
- das Prinzip der Selbstverwaltung
Der Staat soll durch Delegation von Aufgaben und Verantwortungsbereichen an die Träger entlastet (Subsidiaritätsprinzip). Das heißt, dass die Träger der Sozialversicherung als öffentlich-rechtliche Körperschaft alle Steuerungsaufgaben in Eigenverantwortung unter Rechtsaufsicht des Staates erfüllen. Damit sind sie organisatorisch und finanziell selbstständig.
- das Prinzip der Freizügigkeit
Das Prinzip der Freizügigkeit wurde innerhalb der Europäischen Union im Rahmen des Binnenmarkts eingeführt. Es bedeutet den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der EU-Mitgliedstaaten. Die Freizügigkeit, mit der ursprünglich insbesondere wirtschaftliche Ziele verfolgt wurden, betraf zunächst ausschließlich die Arbeitnehmer. Die Regelung wurde aber schrittweise erweitert, um jedem Bürger der Union die Möglichkeit zu geben, sich in allen EU-Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Dieses Recht wird jedem Unionsbürger unabhängig von seinem Status als Arbeitnehmer eingeräumt.
Quelle: http://www.deutsche-sozialversicherung.de
Hauptproblem: Das Prinzip der Beitragsfinanzierung (Umlageverfahren)
Die eingezahlten Beiträge werden unmittelbar für die Finanzierung der erbrachten Leistungen herangezogen (d. h. in der Praxis, sie werden sofort wieder an die Leistungsberechtigten ausbezahlt).
ABER: Während die Kosten steigen, sinken die Einnahmen.
Hauptursachen hierfür sind die Arbeitslosenquote und die demographische Entwicklung.
Die Frage lautet: „Wer soll das bezahlen?"
Nach Artikel 120 des Grundgesetzes trägt der Bund die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung.
So wurden im Bundeshaushalt 2008 Leistungen an die Rentenversicherung i. H. v. 78,2 Mrd. Euro veranschlagt. Der Bundeszuschuss zur Krankenversicherung beträgt für 2009 4 Mrd. Euro. Ab 2009 wird er sich jährlich um 1,5 Mrd. Euro erhöhen, bis 14 Mrd. Euro erreicht sind.
Quellen: Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Bundeshaushaltsplan 2008, Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG)
... und das bei steigender Staatsverschuldung.
„Es gibt das Gerücht, dass Staaten nicht Pleite gehen können. Dieses Gerücht stimmt nicht."
Angela Merkel, Bundeskanzlerin (CDU) – zitiert in WirtschafsWoche vom 02.02.2009.
Was bedeutet das wiederum für den Generationenvertrag und die viel beschworene Generationengerechtigkeit?
Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Denn: die Schulden, die der Staat heute macht, müssen nachfolgende Generationen später in Form von Steuern zurückzahlen.
Quelle: BdSt - Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.
Ursache „Arbeitslosenquote"
... oder: „Massenarbeitslosigkeit und Verlängerung der Lebensarbeitszeit sind gleichzusetzen mit dem Versuch, Hochwasser mit Dauerregen zu bekämpfen."
Heinz-Werner Meyer, 1990-1994 Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
Die Arbeitslosenquote wird ermittelt aus dem Verhältnis zwischen Arbeitslosen zu Erwerbspersonen.
Zwei Arten der Arbeitslosigkeit werden üblicherweise unterschieden:
die „natürliche" Rate der Arbeitslosigkeit, auch strukturelle Arbeitslosigkeit oder Sockelarbeitslosigkeit [langfristiges Problem] und die zyklische Arbeitslosigkeit (friktionelle, saisonale, konjunkturelle) [kurzfristiges Problem].
Werte bis 1990 nur West-, ab 1991 Gesamtdeutschland / Quelle: Bundesagentur für Arbeit (BA)
Ursache „demographische Entwicklung"
... oder „Wir werden immer weniger und immer älter."
„Die Menschen, um die es geht, sind alle schon geboren, und die Länge ihres Lebens wird vermutlich selbst die heute schon großzügig gezogenen Grenzen überschreiten. Während die Alten leben und nicht sterben, wurden die Jungen, die wir für die Zukunft benötigen, niemals geboren. Wir können das nicht mit Hilfe einer Zeitmaschine nachträglich korrigieren. [...] Unsere Kinder wurden nie geboren. Somit werden auch sie niemals gebären. Von Generation zu Generation werden weniger Frauen geboren - die Generation der heute geborenen Mädchen ist zahlenmäßig geringer als die Generation ihrer Mütter. Zur Bestandserhaltung einer Generation müssen durchschnittlich 2,1 Kinder pro Frau geboren werden statt der heute geborenen 1,4 Kinder."
Quelle: Schirrmacher, Frank: Das Methusalem-Komplott, 2. Aufl., München 2005, S. 40 f.
Die demoskopische Veränderung in Zahlen
- Die durchschnittliche Lebensarbeitszeit liegt derzeit bei 37,5 Jahren. Die Lebenserwartung ist schon jetzt mehr als doppelt so hoch und steigt bis 2050 bei Männern von 76,2 auf 83,5 Jahre, bei Frauen von 81,8 auf 88 Jahre.
- Heute beträgt das Durchschnittsalter der Deutschen 42 Jahre. 2050 liegt es voraussichtlich bei 50 Jahren.
- Bis 2050 verdreifacht sich die Zahl der Menschen, die 80 Jahre oder älter sind, von knapp vier auf zehn Millionen.
- Während 1955 fünf Erwerbstätige für die Rente eines Ruheständlers aufkommen, verteilte sich die finanzielle Belastung 1991 bereits auf nur noch vier und 2006 auf nur noch drei Arbeitnehmer. 2050 werden zwei Erwerbstätige für einen Rentner zahlen.
- Der geburtenstärkste Jahrgang der Nachkriegszeit war 1964. Seine Mitglieder gehen beim derzeitigen System spätestens 2029 in Rente. Danach nimmt die Zahl der Erwerbsfähigen mit jedem Jahr ab.
Quellen: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Statistisches Bundesamt, Deutsche Rentenversicherung Bund
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